Aleksander Brückner

Aleksander Brückner wurde 1856 bei Tarnopol im habsburgischen Galizien geboren. Als Absolvent des deutschen Gymnasiums in Lemberg (heute L’viv) und durch sein Studium der klassischen, indoeuropäischen und polnischen Philologie in Lemberg und Wien waren ihm die polnische und die deutsche Sprache gleichermaßen vertraut, wahrscheinlich auch das Ukrainische. Diese Mehrsprachigkeit qualifizierte ihn dazu, seine slawistischen Studien in Leipzig und Berlin fortzusetzen, nachdem er 1876 in Wien mit der Dissertation Die slavischen Fremdwörter im Litauischen promoviert worden war. 1878 habilitierte er sich in Leipzig mit der Studie Die slavischen Ansiedelungen in der Altmark und im Magdeburgischen. Nach kurzer Tätigkeit als Dozent in Lemberg wurde er 1881 auf die Professur für Slawistik an der Berliner Universität berufen und dort 1892 zum Ordentlichen Professor ernannt. In Berlin forschte und lehrte er insgesamt 58 Jahre, bis zu seinem Tod im Mai 1939. Er stand stets in regem Austausch mit Wissenschaftlern in Polen und anderen Ländern Ostmitteleuropas.

Brückners wissenschaftliches Werk ist quantitativ beeindruckend sowie inhaltlich und methodisch ausgesprochen vielfältig. Neben wichtigen Arbeiten zur slawischen Sprach- und Literaturwissenschaft umfasst es zahlreiche richtungweisende Studien zur Kulturgeschichte Polens, zur Reformationsgeschichte, Volkskunde und Archäologie. Auffällig ist Brückners ausgeprägtes Interesse für die ethnische, religiöse und sprachliche Komplexität polnischer Geschichte und Kultur. In Deutschland trug Aleksander Brückner maßgeblich dazu bei, der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Sprachen und Kulturen des östlichen Europa Anerkennung zu verschaffen. Darüber hinaus engagierte er sich für den kulturellen und politischen Dialog zwischen Polen und Deutschland. 


Anknüpfen an Brückner

Wie lässt sich heute die Erforschung des historischen und gegenwärtigen Polen konzipieren? Welche Rolle kommt dabei dem Bezug auf Brückners Biographie und sein wissenschaftliches Werk zu? Wir beziehen uns auf Brückner vor allem in interdisziplinärer Absicht, da er den Anspruch einer Grenzen überschreitenden Polenforschung verkörpert. Dies betrifft die historisch vielfach verschobenen politischen Grenzen Polens ebenso wie die sprachlichen Grenzen und die Grenzen zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen. Der Universalgelehrte Aleksander Brückner dient uns als Ausgangspunkt für eine Polenforschung, die, basierend auf den Kernfächern Geschichte und Slawistik, nach einer möglichst umfassenden geistes- und sozialwissenschaftlichen Betrachtung ihres Gegenstandes strebt.

Anders als zu Brückners Zeiten ist ein solches Forschungsprogramm nicht mehr Sache einer einzelnen Person, sondern stützt sich auf die intensive Kommunikation zwischen vielen WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen.